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Kinder: Prävention und lipidsenkende Therapie bei pädiatrischen Risikopatienten

(Erfahrungswerte/ Empfehlungen der Lipidambulanz der Charité Berlin und in Anlehnung an die Empfehlungen der American Heart Association (AHA)/ aus "Circulation 2007")

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Welche Kinder sollten bzgl. einer Fettstoffwechselstörung gescreent werden?

Besonders dringlich für Kindern empfohlen, in deren Familien (bei Eltern- oder Großeltern) frühzeitig (< 55. LJ.) kardiovaskuläre Ereignisse aufgetreten sind (Herzinfarkt, Schlaganfall, Arteriosklerose mit/ ohne Intervention).

Zudem sollten alle  Kinder bei deren Eltern, auch ohne kardiovaskuläre Ereignisse, ein Gesamt-Cholesterin von > 240 mg/dl vorliegt ( > 6,2 mmol/l) diesbezüglich untersucht werden.

Eine LDL-Erhöhung ist schon zum Zeitpunkt der Geburt sichtbar (Nabelschnurblut-Untersuchung), eine Hypertriglyceridämie manifestiert sich hingegen oftmals erst ab dem 3. bis 4. Lebensjahrzehnt.

Wann sollten Kinder bezüglich einer Fettstoffwechselstörung gescreent werden?

Die AAP (American Academy of Pediatrics) empfiehlt bei Kindern ein Screening ab zwei Jahren.

Die Arbeitsgemeinschaft für pädiatische Stoffwechsestörungen empfiehlt ein Screening im Vorschulalter.

Welche Referenz- und Zielwerte gelten für Kinder?

Es sollten mehrere Messungen erfolgen (individueller Schwankungsbereich, zudem Veränderung der Werte im Zuge der Entwicklung, besonders in Phasen hormoneller Umstellung; in der Pubertät "bessere Werte")

Gesamtcholesterin: < 170 (-200 mg/dl) (4,4-5,2 mmol/l).

Liegt das Gesamtcholesterin nach wiederholter Messung > 170 mg/dl, oder initial > 200 mg/dl, muss spätestens eine Bestimmung der Lipoproteinfraktionen erfolgen: LDL, HDL, ApoB. Wir empfehlen auch die Bestimmung des Lipoprotein(a), s.u..

LDL-Cholesterin: < 100 mg/dl (2,6 mmol/l)

Werte > 100 mg/dl beurteilen wir bereits als erhöht, > 130 mg/dl als deutlich erhöht (Percentilenkurven für das LDL-Cholesterin: LDL-Cholesterin mit Werten > 94 mg/dl = bereits ca. 75. Percentile, LDL-Cholesterin > 116 mg/dl = ca. 90. Percentile!).

Triglyceride: < 60 –70 mg/dl (0,7-0,8 mmol/l)

Werte darüber gelten bereits als grenzwertig.

Eine Hypertriglyceridämie findet sich besonders auch bei stark übergewichtigen Kindern.

Lipoprotein(a): < 30 mg/dl

Werte > 30 mg/dl gelten als erhöht. Dieser atherogene Risikofaktor ist genetisch bedingt, die Kinder haben ihn von mindestens einem Elternteil geerbt, oder nicht. Er ist nicht durch den Lebensstil zu beeinflussen und bleibt relativ konstant, schwankt allerdings umso mehr je höher der Ausgangswert ist.

Welche weitere Diagnostik sollte durchgeführt werden?

Inspektion und Palpation der Haut nach möglichen Xanthomen (vornehmlich peripatellar und an den Achillessehnen, an den Augenlidern und an den Ellenbogen).

Bei deutlicher Hypercholesterinämie und/ oder Hyperlipoproteinämie(a), sowie bei kardiovaskulären Ereignissen in der Familie, empfehlen wir, um mögliche Wandveränderungen der Arterien nachweisen zu können, frühzeitig eine Duplex-Sonographie der Carotiden zur Statutserhebung und Verlaufsbeurteilung durchzuführen (inkl. Intima-Media-Messung).

Ggf. sollte auch eine Ergometrie durchgeführt werden. 

Wann ist eine medikamentöse Therapie notwendig?

An erster Stelle steht, wie auch bei der Prävention und Therapie von erwachsenen Patienten, eine Besserung der Lipidwerte durch mehr körperliche Aktivität und eine entsprechende ausgewogene, doch cholesterinreduzierte und zuckerreduzierte Kost (diese besonders bei der Hypertriglyceridämie), zu erreichen. Natürlich muss dies in einem "für das Kind verträglichem Maße" durchgeführt werden und hängt vom Alter des Kindes ab. Wichtig ist v.a. die Erläuterung der Problematik und die Schulung (auch eine Ernährungsberatung) des Kindes und seiner Eltern.

Weitere Risikofaktoren (wie Nikotinkonsum und Übergewicht) sollten vermieden und deren potentielle Folgen dem Kind und dessen Eltern gut erläutert werden.

Der Beginn einer medikamentösen Therapie bei Kindern ist individuell festzulegen und richtet sich nach:

o       der Höhe der Lipidwerte

o       der Schwere der familiären Belastung bzgl. kardiovaskulärer Ereignisse

o       dem Alter des Kindes

o       dem Vorhandensein von kutanen Xanthomen (diese bessern sich nur  
         durch eine lipidsenkende Therapie und nicht z.B. durch Lasertherapie!)

o       dem Vorhandensein weiterer Risikofaktoren

Mögliche medikamentöse Therapie der Hypercholesterinämie

Eine Statintherapie ist bei erhöhten Cholesterinwerten (s.o.) auch bei Kindern Mittel der 1. Wahl:

Folgende Medikamente sind zugelassen :

Pravastatin: ab 8 Jahren (10-40 mg)

Atorvastatin: nur Spezialambulanzen

Simvastatin: ab 18 Jahren

Lovastatin: ab 18 Jahren

Ezetimib: ab 10 Jahren

Ionenaustauschharze: nur Spezialambulanzen

Fibrate: nur Spezialambulanzen

weitere Medikamente dürfen von Spezialambulanzen verordnet werden

Was sollte bei einer lipidsenkenden Therapie bei Kindern beachtet werden?

Eine Kontrolle der Leberwerte (ALT, AST) sowie der CK (diese v.a. bei Statintherapie), sollten vor Therapiestart erfolgen (die CK ist sehr abhängig von der muskulären Betätigung vor der Blutentnahme, sodass falsch hohe Werte vorliegen können. Entscheidend ist vor allem auch die geschilderte Klinik unter der Statintherapie, also ob z.B. Myalgien auftreten oder Muskelschwäche. Bei bekannten Myopathien ist eine Therapie nur eingeschränkt möglich!).

Vorzugsweise sollte eine Statintherapie nicht vor dem 10. LJ und bei Mädchen erst nach der Menarche begonnen werden. Bei sehr schweren Formen der Hypercholesterinämie werden Kinder jedoch schon zu einem früheren Zeitpunkt durch Spezialambulanzen behandelt.

Bei Mädchen/ jungen Frauen muss während einer Therapie eine sicherere Empfängnisverhütung gewährleistet sein. Im Falle eines Kinderwunsches muss mit dem behandelnden Arzt im Vorfeld ausführlich und sorgfältig die Nutzen-Risikoabwägung erfolgen, ab wann und inwieweit eine medikamentöse Therapie pausiert werden muss.

Bei Planung einer Schwangerschaft empfehlen wir weiblichen Patienten (nach Rücksprache mit dem Arzt und in Abhängigkeit des eigenen, kardiovaskulären Risikos!) frühzeitig, d.h. ca. 3 Monate vor der Konzeption die lipidsenkende Therapie abzusetzen.

Über mögliche Wechselwirkungen sollte aufgeklärt werden  (Antibiotika, Antimykotika und weitere Medikamente die über entsprechende CYPs verstoffwechselt werden, sowie z.B. Grapefruitsaft können die Statinwirkung erhöhen und sollten nicht zeitgleich eingenommen werden).

Die Einnahme des Statins erfolgt 1 mal täglich abends (initial geringste Dosis) ca. 4 Wochen nach Beginn der Therapie:

Sollten die Leberwerte und der CK-Wert erneut kontrolliert werden

(ein CK-Wert bis 10-fach erhöht kann bei fehlender Klinik normwertig sein (Sport? s.o.), Leberwerte bis max. 3-fach der Norm können ggf. toleriert werden. Ggf. absetzen der Medikation).

Der Ziel LDL-Wert unter Therapie sollte < 130 mg/dl liegen, bestenfalls < 100 mg/dl (ggf. Dosisanpassung/ Titration unter erneuter engmaschiger Kontrolle von ALT, AST und CK)

Der Stand der körperlichen Entwicklung sollte regelmäßig erfasst werden

Ein Therapie mit Anionenaustauschern (Cholestyramin) ist auch bei sehr jungen Kindern möglich. Je nach Verträglichkeit (oftmals gastrointestinale Nebenwirkungen oder generell ein Complianceproblem) können 1-4 Btl./ Tag verabreicht werden um das Cholesterin zu senken.

Cholestyramin sollte ebenfalls nicht in der Schwangerschaft genommen werden, in der Stillzeit ist bei schwerer Hypercholesterinämie eine Therapie zu erwägen, es besteht laut Hersteller aber eine Anwendungsbeschränkung.

Der neue Anionenaustauscher (in Tablettenform) Cholestagel® ist bisher nicht für Kinder zugelassen.

Eine Fibrattherapie, wie sie bei einer Hypertriglyceridämie angezeigt wäre, ist für Kinder nicht zugelassen, sie kommt nur in Ausnahmefällen zum Einsatz und eine Spezialabteilung sollte konsultiert werden.

Hier ist eine konsequente, regelmäßige körperliche Bewegung, die Reduktion des Übergewichtes und die Einsparung von Zuckern (gemeint sind alle schnell verstoffwechselbaren Kohlehydrate, also Weißmehlprodukte, sowie Säfte, zuviel Obst…!) wichtiger Bestandteil der Therapie. Ein Diabetes sollte zudem ausgeschlossen, bzw. optimal eingestellt werden.

Eine Therapie mit Nikotinsäure, wie sie bei Erwachsnen bei Hypertriglyceridämie und Hyperlipoproteinämie(a), sowie HDL-Erniedrigung durchgeführt werden kann, ist ebenfalls nicht für Kinder zugelassen.

Weitere (Ausnahme-) Therapieoptionen:

Bei familiärer, homozygoter Hypercholesterinämie ist durch eine medikamentöse Therapie eine ausreichende Absenkung des Cholesterins in der Regel nicht in ausreichendem Maße möglich. In diesen seltenen Fällen bleibt dann die Lipidapherese-Therapie als "Ultima Ratio-Therapie". Darunter bessern sich auch die, teils stark ausgeprägten, kutanen Xanthome der Kinder.

Empfehlenswert und kindergerecht präsentiert ist das Buch "Hast Du auch hohes Cholesterin? Ein Ernährungsratgeber für Kinder und Eltern".

Bei weiteren Fragen zur Lipidsenkenden Therapie und Risikoprävention bei Kindern, wenden Sie sich bitte per mail an unser Ärzte-Team. 

Berlin, Charité Mai 2009 (I. Decius)